Gaza-Krieg
Israelische Menschenrechtsorganisationen beschuldigen Israel des Völkermords
- Veröffentlicht: 28.07.2025
- 23:57 Uhr
- Kira Born
Zum ersten Mal erheben auch israelische Menschenrechtler den Vorwurf, dass Israel einen Völkermord im Gazastreifen begehen würde. Untermauert wird die Anschuldigung durch umfassende Berichte der NGO's.
Zwei der größten israelischen Menschenrechtsorganstationen werfen der Führung Israels vor, einen Völkermord im Gazastreifen zu begehen. Beide Organisationen veröffentlichten umfassende Untersuchungen, in denen sie anhand der Kriegsgeschehnisse im abgeriegelten Küstenstreifen, den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung darlegen. Dabei stützen sich die beiden NGO's Physicians for Human Rights Israel (PHRI) und B'Tselem auf die Definition eines Genozids nach dem Völkerrecht.
Zu den Verstößen Israels gegen das Völkerrecht der UN zählen PHRI und B'Tselem unter anderem: Die vorsätzliche, großflächige Zerstörung des Gazastreifens, Bombardement von medizinischer Infrastruktur und die Zurückhaltug von Hilfslieferungen. Damit sind sie die ersten israelischen Gruppen, die ihrer Landesregierung offen den Völkermord vorwerfen, so "CNN".
Israelische Führung habe unter Vorsatz gehandelt
Nach der Direktorin von B'Tselem, Yuli Novak, müsse von einem Völkermord im Gazastreifen gesprochen werden. Nach der Veröffentlichung des Berichts sagte sie: "Es geht um koordinierte Angriffe mit dem Ziel, eine ganze Gruppe zu zerstören. Es gibt unterschiedliche Taktiken und Praktiken, aber das Ziel ist dasselbe. Wir sehen massenhaftes Töten, von dem wir alle dachten, das werde es nicht geben." Und dieses "passiert wieder und wieder und wieder über Monate", so die Menschenrechtler:innen.
Im Bericht wird ebenfalls angeführt, dass die Versorgung mit Lebensmittel bewusst abgeschnitten wird - ebenfalls ein Indikator für einen systematischen Genozid an den Palästinenser:innen, so Novak: "Millionen Menschen auszuhungern, ist kein legitimer Akt in einem Krieg." Die Berichte von PHRI und B'Tselem kommen beide zu dem ähnlichen Schluss, dass die israelische Führung "eine Vernichtungsabsicht" verfolgt, wie die "Tagesschau" berichtet.
Im Resümee des "Genocide"-Berichts von B'Tselem schreibt die Organisation, dass angesichts der Realität im Gazastreifen, das Handeln Israels "nicht als Versuch gerechtfertigt oder erklärt werden kann, das Hamas-Regime oder seine militärischen Fähigkeiten zu zerschlagen."
Israel bleibt trotz internationalem Druck hart
David Mencer, ein Sprecher der israelischen Regierung, wies die Vorwürfe des Genozids zurück. Mener unterstrich: "Wir haben in diesem Land Redefreiheit, aber wir lehnen diese Behauptung entschieden ab."
Die Angriffe Israels richten darüber hinaus nur gegen die Kämpfer der Hamas: "Unsere Streitkräfte greifen Terroristen an, niemals Zivilisten. Die Hamas ist für das Leid in Gaza verantwortlich", wie er laut Medienberichten sagte.
Nach internationalem Druck erreichen seit wenigen Tage wieder humanitäre Hilfsgüter den Küstenstreifen. Zuvor hatten Bundeskanzler Friedrich Merz und andere Chefs der europäischen Staaten, sowie US-Präsident Donald Trump Israel dazu aufgefordert, wieder Lebensmittellieferung in den Gazastreifen zu lassen.
Kanzler Merz hatte am Montag nach einem intensiven Treffen mit dem Sicherheitsrat angekündigt, dass Deutschland eine Luftbrücke in Zusammenarbeit mit Jordanien bilden wird. Dies soll den Fluss von Hilfsgütern für die Palästinenser:innen in den betroffenen Gebieten wieder ermöglichen, so Merz. Dabei wolle man sich auch mit anderen europäischen Staaten wie Frankreich und dem Vereinten Königreich abstimmen, sagt der CDU-Chef weiter.
Menschenrechtsorganisation kritisiert Mitschuld der internationalen Gemeinschaft
Während B'Tselem der israelischen Regierung die Verantwortung für die Lage im Gazastreifen zuschriebt, hätten internationalen Regierungschefs eine Mitschuld. Sie würden den Weg für den Völkermord erst frei machen: "Viele Staatschefs, insbesondere in Europa und den USA, haben nicht nur keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um den Völkermord zu stoppen, sondern ihn sogar ermöglicht – durch Erklärungen, in denen sie Israels 'Recht auf Selbstverteidigung' bekräftigten oder ihn aktiv unterstützten, darunter durch die Lieferung von Waffen und Munition", wie es in dem Bericht der NGO heißt.
Einen Völkermord schlussendlich nachzuweisen sei jedoch ein schwieriges Unterfragen, so Kai Ambos, Völkerrechtler der Universität Göttingen, gegenüber der "Tagesschau". Zwar liefert der Bericht der Organisationen einen weiteren Beleg für die Zerstörung der Lebensgrundlage der im Gazastreifen lebenden Menschen, doch er weist auch Mängel auf, so Ambos: "Da gibt es eben verschiedene Voraussetzungen, die meines Erachtens in den Berichten nicht explizit genug untersucht werden."
"Die große Frage ist, ob dann auch eine Zerstörungsabsicht im Sinne der Genozidkonvention vorliegt, die Absicht, eine bestimmte Gruppe zu zerstören. Das müsste man ja dem Staat Israel nachweisen beziehungsweise den Repräsentanten dieses Staates", so der Völkerrechtsexperte.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Tagesschau: "Israelische NGOs sprechen von Völkermord"