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Nach Kimmel-Absetzung

Schulterschluss gegen Trump: Der Kampf der Late-Night-Talker für freie Rede

  • Aktualisiert: 19.09.2025
  • 17:20 Uhr
  • Christopher Schmitt
Vor dem EI Capitan Entertainment Centre, wo die Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live!" produziert wird, gab es nach der Absetzung Proteste.
Vor dem EI Capitan Entertainment Centre, wo die Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live!" produziert wird, gab es nach der Absetzung Proteste.© Jae C. Hong/AP/dpa

Donald Trump übt politischen Druck auf die US-amerikanischen TV-Sender aus - und die knicken ein. Doch nach der Absetzung von Jimmy Kimmels Show zeigen sich die Late-Night-Talker im Widerstand geeint.

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Inhalt

"Heute Abend sind wir alle Jimmy Kimmel", erklärte der Satiriker Stephen Colbert in seiner Sendung am Donnerstagabend (18. September, Ortszeit).

Nachdem der Sender ABC "Jimmy Kimmel Live!" wegen der Äußerungen des Moderators zu den Reaktionen auf den Tod des rechten Aktivisten Charlie Kirk "auf unbestimmte Zeit" aus dem Programm genommen hatte, reagierten die bekannten Late-Night-Gesichter mit uneingeschränkter Solidarität.

Sie wissen: Es geht um mehr als eine populäre Sendung, es geht um nicht weniger als die Meinungsfreiheit eines Landes, das sich lange als Leuchtturm selbiger inszenierte. Unter US-Präsident Donald Trump droht dieses Licht zu erlöschen.

"Jimmy Kimmel geht, und mit ihm geht eine weitere lautstarke Stimme der Kritik an der Trump-Regierung", ordnet US-Korrespondent Axel Storm für :newstime ein. "Für politische Satire, für Kritik am Weißen Haus, wird das Eis immer dünner im neuen Amerika."

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Nach Kimmel: Trump droht TV-Sendern

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In diesem "neuen Amerika" fordert Trump nach dem Kirk-Attentat, man solle aufhören, politische Gegner zu dämonisieren, nennt Demokraten jedoch "Abschaum" oder "Ungeziefer". Die MAGA-Bewegung mit Trump an der Spitze feierte Kirk als Kämpfer für die Meinungsfreiheit - doch wenn Trump eine Meinung nicht passt, werden kritische Stimmen mundtot gemacht. ABCs Entscheidung zu Kimmel hat er ausdrücklich begrüßt. Doch noch sind die Stimmen laut - und im Falle der Late-Night-Shows erreichen sie ein Millionenpublikum.

Late-Night-Kollegen zeigen Solidarität

Stephen Colbert nannte Kimmels Absetzung in seiner Sendung "krasse Zensur". Trumps Einfluss auf die US-Networks hatte der frisch gekürte Emmy-Gewinner bereits am eigenen Leib erfahren müssen: Auch seine "Late Show" bei CBS soll im Mai kommenden Jahres abgesetzt werden.

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Branchenkenner:innen glauben, dass der Sender bei der Entscheidung Rücksicht auf Trump genommen habe. Der Moderator selbst feuert die Fehde gerne an: "Einem Autokraten gegenüber kann man keinen Zentimeter nachgeben." Trumps Namen nannte Colbert nicht, sein Publikum weiß sehr gut, wer gemeint ist.

Die "Daily Show" eröffnete Jon Stewart hingegen mit der Ankündigung, eine "regierungskonforme Sendung" zeigen zu wollen. Auf satirische Weise wurde Trump immer wieder unterwürfiger Respekt gezollt, der US-Präsident "Lordschaft" und "Vater" genannt. Zugunsten klarer Worte wird die ironische Ebene jedoch auch verlassen: Stewart spricht von "beispielloser Machtkonsolidierung" sowie "Einschüchterung" durch die US-Regierung.

Auf Ironie setzte auch Seth Meyers, der Trump zwar ganz direkt vorwarf, gegen das freie Wort vorzugehen, jedoch auch erklärte, er habe Trump immer bewundert und respektiert. Der US-Präsident sei nicht nur ein Erneuerer und Visionär - und ein noch besserer Golfspieler.

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Letterman: "Wir sehen alle, wo das hinführt, oder?"

Bei Jimmy Fallon ("Hoffe, Jimmy Kimmel kommt zurück") hingegen legte sich aus dem Off eine Stimme der Zensur direkt über dessen eigene Worte. Viele Leute fürchteten laut Fallon, dass "wir nicht mehr sagen, was wir sagen wollen" oder dass dies zensiert werde. Trumps Reise nach Großbritannien werde er jedoch genauso kommentieren, wie er das sonst auch tun würde.

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Auch Late-Night-Legende David Letterman stellte sich auf einer Podiumsdiskussion beim "The Atlantic Festival" an Kimmels Seite und bezeichnete die Absetzung als "albern" und "lächerlich". "Wir sehen alle, wo das hinführt, oder?", fragte der 78-Jährige. ABC gab er noch Folgendes auf den Weg: "Man kann nicht einfach jemanden feuern, nur weil man Angst hat oder versucht, sich bei einer autoritären, kriminellen Regierung im Oval Office einzuschleimen."

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Trump denkt laut über Lizenzentzug nach

Insbesondere dann nicht, wenn die Moderatoren schlicht dem Kern des satirischen Handwerks nachgehen. "Gerade Steven Colbert und Jimmy Kimmel sind ausgewiesene Kritiker, die geistreich und humorvoll den US-Präsidenten kritisieren - und das ist genau ihre Aufgabe. Das ist ihr Job", erklärt Mika Beuster, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) gegenüber :newstime.

"Dafür werden sie von einem Millionenpublikum geliebt und gefeiert. Und dass sie nun quasi aufs Abstellgleis geschoben werden, nur weil im Weißen Haus die Witze nicht so zünden wie beim Publikum, das ist unerhört." Einen solchen Fall habe es in westlichen Ländern noch nicht gegeben, dass ein Präsident quasi entscheide, was im Fernsehen zu sehen sei.

Aus seiner Meinung zu einigen Sendern macht Donald Trump ohnehin keinen Hehl. Auf dem Rückflug Richtung Washington aus Großbritannien sagte er gegenüber Journalist:innen: "Ich habe irgendwo gelesen, dass die Sender zu 97 Prozent gegen mich sind, ich bekomme 97 Prozent Negatives, und dennoch habe ich gewonnen, und zwar mit Leichtigkeit." Vielleicht sollte den Sendern die Lizenz entzogen werden, überlegte der Republikaner laut. Eine solche Entscheidung läge jedoch beim Chef der Medien-Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC), Brendan Carr, so Trump.

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DJV-Vorsitzender: "Das Publikum ist nicht dumm"

Wohl auch wegen solcher Drohungen sind die US-Sender bei Kimmel und Colbert eingeknickt. "Trump hat ziemlich deutlich gemacht: Jeder, der nicht nach seiner Pfeife tanzt, wird kaltgestellt", so der DJV-Vorsitzende Beuster. "Man muss hier die Sender warnen", denn Trumps Logik würde nicht verfangen. "Das Publikum ist nicht dumm, sondern merkt genau, was hier geschieht."

Es werde weiter darauf geachtet, wie die Sender, denen Colbert und Kimmel "exzellente Einschaltquoten" - und somit Werbebudgets - lieferten, sich verhalten. "Und ob das Publikum Hass gegen Humor eintauschen will, da bin ich mir nicht so sicher", merkt Beuster im :newstime-Interview an.

Oliver Welkes düstere Vorahnung

Wie reagiert wohl die deutsche TV-Satire? Gut möglich, dass sich am Freitagabend (19. September) auch die ZDF-Satiresendungen "heute-show" mit Oliver Welke und das "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann mit Kimmel solidarisieren. In seinen Instagram-Storys teilte Jan Böhmermann Lettermans Reaktion und weitere Beiträge zur Thematik.

"heute-show" und "ZDF Magazin Royale" im ZDF-Livestream - kostenlos auf Joyn!

In der "heute-show"-Ausgabe der vergangenen Woche (12. September) widmete sich Oliver Welke übrigens ebenso wie Kimmel dem Thema Charlie Kirk. Ebenso wie der US-Host verzichtete Welke jedoch auf Witze über das Attentat und Kirks Tod selbst, stattdessen wurde die Reaktion des US-Präsidenten hierauf aufs Korn genommen. Dann leitete der Moderator über zu den Rachemaßnahmen, die Trump an Kritiker:innen vornehme. "Wenn man wie der Late-Night-Host Steven Colbert zu viele Trump-Witze reißt, dann hat man halt bald keine Sendung mehr", so Welke . Dies sei "lupenreine Zensur". Nur wenige Tage später ereilte Jimmy Fallon das gleiche Schicksal.

  • Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Spiegel: "US-Sender setzt "Jimmy Kimmel Live" wegen Aussagen zu Kirk-Attentäter ab"
  • Stern: "Nach Konflikt mit Trump: Stephen Colbert gewinnt bei den Emmys"
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