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Generaldebatte im Bundestag

Merz beschwört Stimmungsaufschwung - Weidel spricht von "Lügenkanzler"

  • Aktualisiert: 09.07.2025
  • 12:08 Uhr
  • dpa
Unter skeptischen Blicken hält AfD-Chefin Weidel ihre Rede im Bundestag.
Unter skeptischen Blicken hält AfD-Chefin Weidel ihre Rede im Bundestag.© IMAGO/Political-Moments

Es war der erwartet hitzige Schlagabtausch im Anschluss an die Generaldebatte. AfD-Chefin Alice Weidel warf der Regierung "Wortbruch" vor. Kanzler Merz sprach von Mut und einer "Wende in der Wirtschaftspolitik". Kritik kam auch von den Grünen.

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Inhalt

Bundeskanzler Friedrich Merz und Oppositionsführerin Alice Weidel haben sich in der ersten Generaldebatte des Bundestags seit dem Regierungswechsel eine harte Auseinandersetzung geliefert. Weidel warf Merz Wortbruch und Wahlbetrug vor. "Für die bitter enttäuschten Bürger sind Sie schon jetzt der Lügenkanzler, Herr Merz, dessen gebrochene Wahlversprechen ganze Kataloge füllen", sagte sie.

Merz wies in seiner Erwiderung die "pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung mit aller Entschiedenheit" zurück und warf Weidel vor, eine "rein nationalistische Rede" gehalten zu haben. "Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen", sagte der CDU-Chef.

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Die stärkste Oppositionsfraktion, die seit der Bundestagswahl wieder von der AfD gestellt wird, hat traditionell das Recht die Debatte über den Kanzleretat in den Haushaltsberatungen des Bundestags zu eröffnen.

Merz beschwört Stimmungsumschwung

Die neue Regierung von Union und SPD hatte am 6. Mai ihre Arbeit aufgenommen und ist nun 65 Tage im Amt. Laut Merz ist in dieser Zeit ein Stimmungsumschwung gelungen. "Wir lassen uns das von ihnen dort nicht vermiesen", sagte er an die Adresse der AfD.

"Wir haben viel angepackt, wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun", bilanzierte Merz die ersten zwei Monate seiner Regierungszeit. Schwarz-Rot wolle allen Menschen in Deutschland, "den Mut und die Zuversicht vermitteln", dass es sich lohne in diesem Land zu arbeiten und es ein großes Glück sei, hier in Frieden und Freiheit zu leben. "Wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen", sagte Merz. "Wir wollen, dass Deutschland ein offenes ein liberales, ein freiheitliches Land bleibt und wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt."

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Merz sieht "Wende in der Wirtschaftspolitik"

Der Kanzler zeigte sich sicher, dass mit der Haushaltsplanung der Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land gelegt werde. "Damit hat die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet", sagte er. Der Kanzler rechtfertigte die dazu beschlossenen zusätzlichen Schuldenaufnahmen. Nichts zu tun und keine Investitionen zu ermöglichen, sei keine bessere Alternative.

In der EU und NATO habe Deutschland eine Führungsverantwortung übernommen und mit der im März beschlossene Verfassungsänderung den Grundstein für höhere Verteidigungsausgaben gelegt. "Wenn wir das nicht getan hätten und wenn wir nicht mehr bereit gewesen wären, für unsere Verteidigung auszugeben, wenn wir AfD und Linkspartei gefolgt wären, dann wäre die NATO wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen."

Weidel nennt Merz "Papierkanzler"

Weidel warf der schwarz-roten Regierung vor, die "Ampel-Politik eins zu eins" fortzusetzen. Den Vorwurf des "Wortbruchs" begründete sie unter anderem damit, dass das Versprechen einer Stromsteuersenkung für alle aus dem Koalitionsvertrag wegen knapper Kassen zunächst nicht umgesetzt wird. "Ihr Wort ist nichts wert, selbst wenn es schwarz auf weiß in ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht", sagte Weidel. Die Regierung beruft sich bei der Entscheidung auf den Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag.

Weidel nannte Merz einen "Papierkanzler", der sich von der SPD vorführen lasse. Seine Kanzlerschaft gehe "als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein". In ihrer Rede griff sie die Regierung auch bei der Migrationspolitik an und sprach von "migrationspolitischen Schaufensterübungen". Die veranlassten Grenzkontrollen seien mangelhaft, die Einschränkungen beim Familiennachzug "homöopathisch". Weidel zeichnete ein düsteres Bild des Landes und erwähnte Messerangriffe, Sexualdelikte, Übergriffe in Freibädern und schlechte Zuständen an Schulen. "Die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran", sagte sie.

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Dröge wirft Merz "klimapolitische Bankrotterklärung" vor

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wirft der Bundesregierung und Bundeskanzler Friedrich Merz eine "klimapolitische Bankrotterklärung" vor. Dröge sprach im Bundestag von einem unfassbaren Rückschritt beim Klimaschutz. Die Bundesregierung subventioniere fossiles Gas aus dem Klima- und Transformationsfonds, plane neue Gasförderungen vor Borkum, kürze Klimaverträge für die Industrie und wolle das Heizungsgesetz aufweichen. Die Regierung wolle den Kohleausstieg verlängern, kürze die internationale Klimafinanzierung, plane im großen Umfang fossile Gaskraftwerke und rede gleichzeitig darüber, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen.

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Dröge: Merz schaut bei Spahn weg

Zu umstrittenen Maskenkäufen in der Corona-Zeit des damaligen Gesundheitsministers und heutigen Unionsfraktionschefs Jens Spahn (CDU) sagte Dröge, Merz schaue bei Spahn offensichtlich weg. Spahn habe zu verantworten, dass in der Maskenaffäre Schäden von wahrscheinlich bis zu zehn Milliarden Euro entstanden seien. Die Opposition sieht nach einer Befragung der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof zu umstrittenen Maskenkäufen weiteren Aufklärungsbedarf.

Beim Haushalt warf Dröge Merz Tricksen und Täuschen vor. Merz verschiebe Investitionen aus dem Bundeshaushalt in die Sondervermögen, um Wahlgeschenke zu finanzieren. Die Grünen haben bereits kritisiert, es handle sich bei Investitionen aus dem milliardenschweren Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz nicht ausreichend genug um zusätzliche Investitionen - wie eigentlich verabredet. Die Grünen hatten dem Sondervermögen zugestimmt.

Linke kritisiert "Haushalt der Hoffnungslosigkeit"

Die Linke hat der schwarz-roten Bundesregierung eine Politik der sozialen Kälte vorgeworfen. Die Koalition liefere einen "Haushalt der Hoffnungslosigkeit", sagte Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Sie kritisierte darin vorgesehene massive Aufrüstung sowie Steuergeschenke für Superreiche und Konzerne. Sie warnte: "Jeder Cent, der in die Rüstung fließt, fehlt an anderer Stelle."

Reichinnek sagte an die Adresse von Union und SPD: "Sie versuchen die Schere zwischen Arm und Reich nicht mal zu schließen, Sie reißen sie immer weiter auseinander." Vorgesehen sei viel zu wenig Geld für sozialen Wohnungsbau, es gebe keine Erhöhung des Elterngelds und Unklarheit bei der weiteren Finanzierung für das Deutschlandticket im Nahverkehr. Die Linke-Politikerin mahnte: "Das Geld fehlt nicht, es ist nur falsch verteilt."

Ausgaben von mehr als 500 Milliarden geplant

Die viertägige Haushaltsdebatte hatte am Dienstag (8. Juli) mit der Einbringung des Etatentwurfs 2025 durch Finanzminister Lars Klingbeil in den Bundestag begonnen. Geplant sind deutlich mehr Investitionen, die vor allem durch wesentlich höhere Schulden finanziert werden sollen.


Die Bundesregierung plant in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden Euro - 6,1 Prozent mehr als im Vorjahr. 81,8 Milliarden Euro sollen im Kernhaushalt aus Krediten finanziert werden - mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Dazu kommen mehr als 60 Milliarden Euro aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen. Bis 2029 will die Regierung im Kernhaushalt sowie in Sondertöpfen zusammen fast 850 Milliarden Euro Schulden machen.

Die Beratungen über den Etat des Kanzleramts gelten traditionell als Höhepunkt der Haushaltsberatungen. Insgesamt sind vier Stunden für die Debatte vorgesehen. Nach der Generaldebatte wird sich Merz erstmals in einer Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten stellen. Dafür sind 70 Minuten vorgesehen. Danach debattiert das Parlament über die Etats für das Auswärtige Amt, Verteidigung und Entwicklungshilfe.

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:newstime vom 9. Juli 2025 | 18:00
Episode

:newstime vom 9. Juli 2025 | 18:00

  • 11:31 Min
  • Ab 12